Vom 22.-23.02. fand in Göttingen die literaturwissenschaftliche Tagung „Kanonisierungspraktiken im Literaturstudium“ statt. Leitend war dabei die Frage, welche Primärtexte heute im Literaturstudium als verbindlich markiert sowie in Veranstaltungen gelehrt werden und wie Studierende mit diesen Texten umgehen. Gemeinsam mit meiner Kollegin Jennifer Witte (Uni Osnabrück) hielt ich auf der Tagung einen Vortrag, der sich mit Orientierungen Studierender zu Literatur und zum Lesen beschäftigte. Diese rekonstruierten wir aus Gruppendiskussionen von Jenaer Lehramtsstudierenden. In den von uns aufgezeichneten und ausgewerteten Gruppendiskussionen wurde insbesondere deutlich, dass sich Studierende vor allem an der sog. „Lektüreliste“ abarbeiten, die Jenaer Deutsch- bzw. Germanistikstudierende verbindlich lesen müssen. Dabei wird von der Gruppe einerseits sanktioniert, wenn einzelne Studierende angeben, die Lektüren freiwillig zu lesen. Andererseits wird die Gruppe aber auch Tendenzen einiger Studierender entgegen, sich als Nichtleser:innen zu inszenieren. Gemeinsam ist den meisten Studierenden, dass die Arbeit mit Lektürelisten in den Kontext der Universität gerückt wird und dort als unfreiwillige, eher mit Zwang verbundene Lektüre entworfen wird, die sehr zeitaufwendig ist. Freiwilliges, oft eskapistisches Lesen bleibt demgegenüber dem privaten Raum vorbehalten. Für die universitäre Lehre ergibt sich hieraus die Frage, wie Studierende zum Lesen kanonischer Literatur motiviert werden können und wie vermieden werden kann, dass sich institutionelle und private Lektüre zunehmend auseinanderbewegen.
Vortrag auf Göttinger Tagung
von
Schlagwörter:
Schreibe einen Kommentar